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„Es ist in der Welt, damit müssen wir arbeiten.“

Seit 2015 lebt und arbeitet der Künstler Erik Gebbert in der Spinnerei in Leipzig. Kurz zuvor hatte er seinen Meisterschüler bei Asta Gröting an der HBK in Braunschweig absolviert. Ein Gespräch über Pornos, Holzschnitte und den halböffentlichen Raum.

VASiSTAS:
Du wurdest schon mal bei uns gefeatured. Existieren Parallelen zwischen diesen Arbeiten und deinem heutigen Schaffen?

Erik:
Die meisten der im Feature gezeigten Arbeiten sind im Studium entstanden. Die haben mit dem, was ich jetzt mache eigentlich kaum etwas zu tun – ob technisch, vom Format her oder von der Anmutung des Endprodukts. Ich habe damals viele Fotos gemacht, mich mit Infrarotfotografie beschäftigt und vor allem mit Performance. Das ist alles außer malerischer Zugang, mit dem ich mich gerade umgebe. Obwohl man sagen kann, dass die menschliche Figur eine Konstante in meinen Werken bleibt.

Erik mit seiner „Team Boys“-Serie

VASiSTAS:
Wie fing dein derzeitiges Projekt „Team Boys“ an?

Erik:
Die ganze Holzschneiderei hat damit begonnen, dass ich nicht genau wusste, was ich einem Freund zum Geburtstag schenken soll und ihm letztendlich ein selbst bedrucktes T-Shirt gab.

VASiSTAS:
Und damit fing dein Interesse für den Druckprozess an?

Erik:
Ich war damals an einem Punkt, an dem ich nicht wusste, wie es künstlerisch weitergehen soll. Und dabei vergaß ich, wie interessant einfache Techniken sein können.

„Das Elend der Performance Kunst ist, dass es ein Publikum braucht.“

VASiSTAS:
Du musstest dich aber dennoch in der Universität zunächst mit Druckprozessen auseinandersetzen.

Erik:
Unser Grundklassenprofessor, der gute Friedemann von Stockhausen, hat uns in Abwesenheit, er hatte damals Rücken, den Auftrag gegeben, dass wir einen Druckkurs belegen müssen. Dort haben wir einen umfangreichen Einblick in Techniken wie Ätzradierung, Lithographie oder Aquatinta erhalten. Für mich war das damals uninteressant, weil ich mir von dem Ersatzprofessor anhören musste, dass ich das Zeichnen gar nicht beherrsche und dass ich doch bitte die Grundklasse verlassen soll. Die haben mich praktisch aus der Grundklasse rausgeworfen und zu der anderen Vertretungsprofessur der Bildhauerei heruntergeschickt. Das war gemein, aber am Ende gar nicht so schlecht. Ich war dann eben in dieser Bildhauerklasse und bin tatsächlich erst durch sie zur Performance gekommen, indem ich die beiden Formate miteinander verband.

Drucke und Platten

VASiSTAS:
Wie hat Asta Gröting dich beeinflusst?

Erik:
Asta war völlig am Inhalt, an der Idee interessiert. Sie hat gesagt, dass Kunst mit der Realität zu tun haben muss. Technik rückt dabei in den Hintergrund. Es ist kein Kunstdiskurs rein über die Technik machbar. Wenn man in Ausstellungen geht, hört man immer so Wortfetzen wie „DAS ist aber gut gespielt! Der Auftrag! Wunderbar!“ So Kunstfloskeln halt. Es müsste viel mehr darum gehen, was die Idee, die Vision dahinter ist.

VASiSTAS:
Hat dich der Fokus auf den Inhalt vielleicht auch davon abgehalten, dich zunächst mit malerischen Problematiken intensiver auseinanderzusetzen?

Erik:
Ganz genau. Das war eben nicht mein Medium und so habe ich mich nie mit Farbkontrasten, Farbgebung, Maltechnik und dergleichen auseinandergesetzt. Nach meinem Studium war mir dann bewusst, dass man ein Labor braucht, wenn man Fotograf ist. Wenn man Performance auf einem gewissen Level betreiben will, braucht man einen Kontext, eine Ausstellung, einen Raum. Das Elend der Performance Kunst ist, dass es ein Publikum braucht. Holzschnitt braucht weder Publikum noch Räumlichkeiten.

„Man gibt Pornographie eine Anhaftung des Verbotenen, des Peinlichen, Provokativen, des: Oho, die Mama kommt.“

VASiSTAS:
Du hast zunächst damit angefangen, Urlaubsfotos als Vorlagen zu nehmen.

Erik:
Und danach habe ich mich mit Pornographie beschäftigt. Im engeren Sinne schwuler Pornographie. Das fand ich eine interessante Medienkombination. Daraufhin habe ich mir pornographische Darstellungen aller Art aus dem Internet genommen wie zum Beispiel Frames aus Pornofilmen aber auch Aktfotografien von diversen Blogs.

VASiSTAS:
Du hast dann auch relativ früh angefangen mit verlorener Form zu arbeiten.

Erik:
Ich fand die dabei entstehenden Überlagerungen sehr spannend. Das Bildmaterial dazu kommt aus dem halböffentlichen Raum. Ich bin auf kein geheimes Geheimmaterial gestoßen, das sonst niemand zu sehen kriegt. Ich bilde aber jetzt keinen Querschnitt des Pornodiskurses ab. Meine Auswahl erfolgt um ehrlich zu sein nach Attraktion.

„Es bringt nichts, dabei katholisch vorzugehen – à la was ich nicht seh‘, tut mir nicht weh.“

VASiSTAS:
Wenn man Kunst mit Pornographie verbindet, stößt man oft auf Ablehnung.

Erik:
Man gibt Pornographie eine Anhaftung des Verbotenen, des Peinlichen, Provokativen, des „Oho, die Mama kommt“, die ich sehr lächerlich finde.

VASiSTAS:
Warum wird es so häufig als Provokation angesehen, wenn eine Darstellung gezeigt wird, die den halböffentlichen Raum thematisiert?

Drucke aus der Serie „Team Boys“

Erik:
Gute Frage. Über meine Arbeiten öffnet sich ein allgemeiner Diskurs, das finde ich schon mal sehr gut. In den 90ern, als ich noch Kind war, existierten Pornographie und Homosexualität in dem Dorf, in dem ich aufwuchs, praktisch gar nicht. Heutzutage ist das, was ich mache, ja fast mit Pop-Art zu vergleichen. Denn die Uridee von Pop-Art war ja, dass man zur Bildfindung Formen nimmt, welche die Leute kennen – etwas, das im Alltagsdiskurs vorhanden ist wie beispielsweise Stars oder Suppe. Das sind Pornos eben auch. Es bringt nichts, dabei katholisch vorzugehen à la was ich nicht seh‘, tut mir nicht weh. Die Leute konsumieren täglich Pornos. Das Hauptdatenvolumen im Internet sind Pornos. Wir können doch keine Schamdiskussion führen, denn da könnte man meinen, dass es um die Diskussion „Können wir Pornos erlauben oder nicht erlauben?“ geht, während gleichzeitig jede Sekunde ein Porno durchs Internet läuft. Ob wir das wollen oder nicht. Es ist in der Welt, damit müssen wir arbeiten.

„Deshalb ist das pornographische Bild im ersten Sinne erst einmal nicht kunstfähig, da es nicht metapherfähig ist.“

VASiSTAS:
Die Ignoranz ist leider häufig der gewählte gesellschaftliche Umgang mit allen abseitigen Themen.

Erik:
Alles was abseitig ist, wird in einer Form diskutiert als ginge es darum, es einzuführen oder nicht einzuführen. Dabei verkennt man, dass es bereits Realität ist. Das pornographische Bild ist sehr lange nicht als kunstfähig angesehen worden, da es zu plakativ ist. Bei Pornographie geht es nicht zentral darum, dass die Leute nackt sind. Es geht nicht darum, dass sie Sex haben. Das zentrale Ding bei Pornographie und Kunst ist die Objektkategorie. Das Obszöne daran ist, dass die Leute „sinnlosen“ Sex haben und keine Geschichte erzählt wird. Das ist jedenfalls die klassische Vorstellung vom Porno. Deshalb ist das pornographische Bild im ersten Sinne erst einmal nicht kunstfähig, da es nicht metapherfähig ist.

VASiSTAS:
Wie steht das im Bezug zu deiner Arbeit?

Erik:
Das ist für mich schwer einzuschätzen. Wenn ich jetzt über meine Arbeit nachdenke und versuche mir vorzustellen, was jemand sieht, ist das eine schwierige Frage. Denn das pornographisches Bild wird im Holzschnitt vereinfacht, verlangsamt, ich habe die heimliche Hoffnung, dass sich dieses Bild verändert. Es ist nur eine Momentaufnahme, da werden diese Sachen fast zärtlich. Mitunter kann so eine Gruppensexszene ja zu einer wirklich anmutigen Komposition werden.

VASiSTAS:
Du normalisiert ja nur etwas in deinen Werken, was Menschen tagtäglich tun.

Erik:
Genau. In gewisser Weise. Ich bin viel eher dafür, dass Leute sagen, was sie gut finden. Wenn man sich das Gegenteil vorstellt – immer muss alles vertreten sein, niemand darf den nackten Körper darstellen – in welcher Welt würden wir da herauskommen?

VASiSTAS:
Das wäre ja auch vor allem in der Kunst Zensur, die von außen aufgetragen wird. Eine Rückkehr zu alten Traditionen und Verboten, die dem Künstler Rahmen auferlegen.

Erik Gebbert im Atelierloft in der Spinnerei

Erik:
Je mehr man versucht die noch korrektere Sprache zu wählen, noch gerechter, noch päpstlicher als der Papst zu werden, erstellt man selbst wieder eigene Hierarchien und Machtverhältnisse und es kommt dann heraus, dass es dabei dann nicht mehr um die Analyse, die Hinterfragung der Dinge geht, sondern nur noch darum, was jetzt „erlaubt“ ist. Das ist gefährlich. Man müsste sich auf den Urfeminismus beziehen, der analysiert ohne sich radikal zu verbiegen.

VASiSTAS:
Wenn du unbegrenzte Mittel hättest, gäbe es irgendein Projekt, das du gerne machen würdest?

„Man müsste sich auf den Urfeminismus beziehen, der analysiert ohne sich radikal zu verbiegen.“

Erik:
Wenn ich unbegrenzte Mittel hätte, würde ich wahrscheinlich ein verrücktes Institut für Kunst und öffentliche Erregung gründen. Dort gibt es dann verschiedene Formate künstlerischer Arbeit, Körperarbeit und diverse Workshops von Yoga bis Bondage. Was dann vielleicht auch den Bereich bildender Kunst verlässt und in den Bereich der Bildungsarbeit übergeht.

Wenn Du Eriks Arbeiten einmal live erleben möchtest, empfehlen wir Dir das diesjährige Pornfilmfestival in Berlin vom 23. bis 28. Oktober. Mehr Infos und Arbeiten findest Du natürlich auch auf seiner Webseite.

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