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„Je mehr Regeln man kennt, desto mehr Freiheiten hat man.“

Seit drei Jahren hat der gebürtige Magdeburger Robin Zöffzig ein Atelier in der Spinnerei in Leipzig, von dem aus er Teil zahlreicher Projekte ist. Ein Gespräch über nackte Haut, griechische Mythologie und Kirchenfenster.

VASiSTAS:
Du bist 2010 für ein Auslandsstudium nach Tianjin in China gegangen und hast traditionelle Tusche- und Seidenmalerei studiert. Wie kam es dazu?

Robin:
Ein Freund aus meiner Malereiklasse kam aus China und hat uns zu sich nach Hause eingeladen. Mittlerweile war ich bereits sechsmal dort. Dieses Jahr fliege ich nach Taiwan. Mit dem Kulturanker Magdeburg bemale ich dort zusammen mit Jens Besser und Stefan Schwarzer einen Expopavillon für die Blumenexpo in Taichung.

VASiSTAS:
Es gab vor kurzem eine von dir organisierte Modenschau in einem alten Stripclub, die unter anderem von deiner Stelle als Dozent an der Vitruvius Hochschule in Leipzig ausging.

Robin:
Ich fing dort als Perspektivlehrer an und arbeite mittlerweile mit den Studenten von Mode-, Game- und Kommunikationsdesign zusammen. Mir geht es darum, bei den Studenten den größtmöglichen Erfolg herauszuholen. Ich lehre nach Bammes (Anm.: Gottfried Bammes) und unterrichte hauptsächlich die einführenden Kurse, die Grundlagen für Gestaltung und Kompositionslehre, Farblehre und kombiniere das alles. Dadurch kann ich auch meine eigene Arbeit gut reflektieren. Mich inspiriert der Lehrauftrag dazu, mehr zu experimentieren. Chinacridon finde ich gerade sehr spannend. Das ist eine Art von Magenta. Es ist sehr kräftig und man kann es schwer mit anderen Rottönen wie Zinnoberrot oder eben Magenta mischen. Das habe ich unter anderem mit den Schülern ausprobiert: Wie diese drei Farbtöne aufeinander wirken. Ich verändere die Unterrichtsstruktur auch jeden Turnus, damit es nicht langweilig wird. Von Übungen zur systematischen Kontrastfindung bis hin zur Ausspannung von Formaten ist alles dabei. Und dann interessiere ich mich derzeit auch viel für Social Media. Vor allem Instagram.

VASiSTAS:
Als neue Plattform?

Robin:
Früher habe ich immer Bilder aus der Kunstgeschichte genommen, die bekannt waren, habe sie neu kombiniert und in einen zeitgenössischen Kontext gepackt. Das Bild „Grazie“ ist beispielsweise sehr an Botticelli angelegt. Und dann bin ich auf Instagram gekommen und war total begeistert. Bei dem „Fackeln im Shitstorm“-Bild sieht man beispielsweise eine ganz klassische Instagrampose. Die Formen sind direkt von Instagram geklaut.

„August der Starke hatte ja wie man weiß unglaublich tolle Ideen. Deswegen heißt die Ausstellung „Gräfin und Schwachsinn“.“

VASiSTAS:
Du warst Meisterschüler bei Rainer Schade an der Burg. Wie hat er dich beeinflusst?

Robin:
Ein unglaublich begnadeter Zeichner und lustiger Typ. Er sieht unglaublich viel und gibt gute Ratschläge und Kritik. Es war für mich eine Befreiung, dass ich nach dem Studium von der Intellektualschiene ablassen konnte. Meine Professoren waren konzeptionell und durchstrukturiert. Das war mir alles zu ernst. Ich wollte es lustiger haben. Bei Rainer Schade konnte ich mich nochmal zwei Jahre austoben.

VASiSTAS:
Ich kenne Rainer Schade vor allem als Zeichner und Cartoonist. Hat euch beide vor allem dieser humoristische Ansatz verbunden?

Robin:
Auf jeden Fall. Schon damals, als ich noch beim fakultativen Aktzeichnen war, bin ich gerne zum Malen und Zeichnen zu ihm gegangen. Sein Sohn Titus Schade und ich kennen uns ebenfalls bereits viele Jahre.

VASiSTAS:
Deine nächste Ausstellung wird in Dresden in der Galerie FLOX stattfinden.

Robin:
Genau. Die Ausstellung fängt am 10. November an. Die Galerie ist eine neue Zweigstelle von der gleichnamigen Galerie, die es seit fünf Jahren in Bautzen bei Kirschau gibt. Die haben den Schwerpunkt Leipziger Schule. Geil. Obwohl ich ja eigentlich in Halle studiert habe. Die Ausstellung hat einen interessanten Namen. Der Arbeitstitel war „Königin und Samurai“ nach einem Buch von Veit Lindau. Ich musste dabei an August den Starken denken, dessen bekannteste Mätresse die Gräfin von Cosel war. August der Starke hatte ja wie man weiß unglaublich tolle Ideen. Deswegen heißt die Ausstellung „Gräfin und Schwachsinn“.

VASiSTAS:
Benutzt du für deine Bilder Lebendmodelle?

Robin:
Ich gehe zum Aktzeichnen und arbeite dann mit diesen Zeichnungen. Manchmal kann ich es direkt übertragen. Ich zeichne mit Kreide vor, dann teile ich die Proportionen ein und gehe mit der Linie darüber. Für das Kleid der Gräfin habe ich eine Skizze angefertigt. Das Aufeinandertreffen der Formen des Korsetts war besonders spannend. Die Formen müssen ja voneinander getrennt sein und gleichsam soll es kompositorisch spannend bleiben.

„In China werden Pferde aus Wind und Feuer geboren, das passt für mich mehr zum weiblichen Körper.“

VASiSTAS:
Wenn man deine Gemälde bei der Themenausstellung „Enter Hades“ betrachtet, hat man das Gefühl, dass du dich neben historischen Themen ebenfalls viel mit griechischer Mythologie und Okkultismus auseinandergesetzt hat.

Robin:
Ich war schon immer ein großer Fan von Hades. In der Ausstellung ging es um die Geschichte von Persephone und Hades. Ich fand es sehr spannend, wie sich Persephone in ihren Entführer verliebt hat. Der Zyklus der beiden zeigt die Entwicklung von Persephone auf: Sie lässt nach und nach die Vanitas-Objekte weg, ihr Körper verändert sich, die Metaphern sind zahlreich. Sie sitzt dort und hat alle im Blick und übernimmt sozusagen die Rolle von Hades. Das Bild „Wächter“ war ebenfalls von Zerberos inspiriert und stellt eine teuflische Pfortenwache dar, die mit silbernen Pferdefüßen ausgestattet ist.

VASiSTAS:
Wieso ist Zerberos für dich ein Pferd?

Robin:
Frauen und Hunde – das passt für mich nicht zusammen. Für mich hat das mit Körperspannung und Beinstellung zu tun. In China werden Pferde aus Wind und Feuer geboren, das passt für mich mehr zum weiblichen Körper. Rubens hat mal gesagt, dass es immer eine gute Idee ist, eine nackte Frau zu malen. Und das ist natürlich ein totaler Gegenstrom gegen die Prüderie, wo es in der Kunstakademie auch heißt, Erotik sei schlecht. Erotik soll nicht dargestellt werden. Bloß keine Reize. Mir hat letztens ein Kollege gesagt, dass man als zeitgenössischer Künstler keine Brüste mehr malen darf. Er meinte, es sei nicht mehr zeitgemäß. Das hat mich angespornt, eben noch mehr nackte Haut zu zeigen. Nach dem Motto: Jetzt erst richtig.

VASiSTAS:
Die Leute scheinen fast eine Art Angst vor dem menschlichen Körper zu haben.

Robin:
Im Studium habe ich die Körper sehr natürlich gezeichnet. Mit Makeln etc. Mittlerweile versuche ich auf einen Punkt zu kommen, wo Makellosigkeit existiert und dennoch kleine Fehler drin sind. Wo die Dosis das Gift ausmacht. Da bin ich darauf gekommen, dass jede Körperform ästhetisch wertvoll ist.

VASiSTAS:
Hast du unverwirklichte Projekte, die du immer schon mal machen wolltest, aber vielleicht nicht die nötigen Mittel dazu hattest?

Robin:
Ein kleiner Traum, der gerade in Erfüllung gegangen ist, ist das Thema Kirchenfenster. Ich habe drei Kirchenfenster gestaltet, die sind auch fast fertig. Da gibt es im Frühjahr eine schöne Ausstellung zusammen mit der Leipziger Schule, auf der die Maler ihre Fenster präsentieren. Danach werden sie in die Kirche eingebaut. Mir wurde hierfür eine kleine Kirche in Schlaitz bei Bitterfeld zugeordnet. Ich kam durch Holger Brülls dazu, der den Aufbau meiner Figuren gut fand. Inspiriert von der asiatischen Kontur kann man meine Gemälde einfach aufs Fenster übertragen und ein neues Medium herausarbeiten. Das funktioniert dann so, dass ich eine Zeichnung abgebe, ihr Gläser zuordne, die dann zugeschnitten und bemalt werden. Es sind alles Originalgläser, mundgeblasen, handgeschnitten. Das ist echt der Wahnsinn.

„Es gibt zwar sehr viele Regeln, aber jede Regel beinhaltet für mich auch eine Freiheit. Je mehr Regeln man kennt, desto mehr Freiheiten hat man.“

VASiSTAS:
Das ist für die Ewigkeit!

Robin:
Es sei denn, ein Erdbeben kommt. Die Fenster gehen dann erst einmal auf eine Reise, bevor sie eingesetzt werden.

VASiSTAS:
Du hast Rainer Schade als jemanden bezeichnet, der dir gut Kritik geben konnte. Was ist für dich gute Kunstkritik?

Robin:
Es gibt wohl zwei verschiedene Lager. Bei der klassischen figürlichen Malerei braucht man Regeln, damit es gut aussieht, allein bei den Proportionen. Es gibt zwar sehr viele Regeln, aber jede Regel beinhaltet für mich auch eine Freiheit. Je mehr Regeln man kennt, desto mehr Freiheiten hat man. Man hat vor seinen Augen sozusagen die Leinwand und da muss was drauf. Dann hat man ein riesiges Regal von dem man das Aussehen von Hand und Auge wählen kann. So kann man sich seine Figuren zusammenbasteln. Dann erst kann man kreativ schöpferisch werden.

Wer jetzt Lust auf Robin und seine Arbeiten hat, sollte sich die folgenden Termine fix notieren:

9.09. – 7.10.2018: „Menschen in Städten“, Galerie im Alten Bau, Geislingen an der Steige
21.09. – 22.09.2018:sexophil„, Kunsthaus Meiningen
10.11. – 10.12.2018: „Gräfin und Schwachsinn“, Galerie Flox, Dresden

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