We have joy, we have fun, we have seasons in the sun: We’re up all night to get lucky. We’re up all night to get lucky. We’re up all night to get lucky. We’re up all night to get lucky.
Wie man auch im 24 Stunden Happy-Video von Pharell sehen durfte, ist nach wie vor Wiederholung die Mutter der Pädagogik, daher weiß man mit diesem Absatz auch schon, worum es geht. Es ist nicht weit her geholt: darauf gekommen bin ich durch die totale Offensichtlichkeit an Konsumkritik und den modernen Menschen im Mittelpunkt von überfordernden Ansprüchen der globalisierten Häppiness beim f/stop, dem 6. Festival für Fotografie in Leipzig.
Was mich allerdings viel mehr umgetrieben hatte, als die kleine Führung, die ich mir durch die Werkschau geben ließ, war eben hauptsächlich die Frage, ob sie sich für „get lucky“ als Titel des Festivals entschieden hatten, weil Daft Punk ein bisschen cooler ist, als Pharell und ein schnödes „happy“ weniger Interpretationsspielraum lässt als „get lucky“. Natürlich wird im Vorwort vom f/stop-Begleitheft im ersten Satz darauf hingewiesen, dass es sich beim offiziellen Thema nicht nur um ein einfaches Chart-Zitat handelt, sondern um den Ausdruck eines Zeitgeistes, dessen „Prozess in den letzten beiden Dekaden an Dynamik gewonnen“ habe, mit der Fotografie als Übermittlerin der glänzenden Oberfläche.
Dabei stellt sich mir die Frage, an welchen Stellen Ausbrüche aus der Hochglanzsehnsucht passieren und was die Konsequenzen von der Verheißung vom Glück durch Leistung sind. Wo beim Festivals einerseits vom Glück als Zeitgeistmaxime im Großen und Ganzen gesprochen wird, in der Anna Witts „Sixty Minutes Smiling“ mit einfachsten Mitteln veranschaulicht wie verkrampft die geforderte Glücksoptimierung ist und Beni Bishop, ganz der Penäler, einmal allen den Hochglanz durchwurstet, passt andererseits der Titel nicht mehr, so ironisch man ihn auch aufnehmen muss. Wir befinden uns immerhin in der Adjektivität von Glück und die Charts-Assoziation ist einfach zu deutlich. Wir bewegen uns mit Daft Punk im gleichen Swimming Pool der Popkultur wie Pharell und gönnen uns eine Auszeit von der Eiszeit des Glückzwangs und das möglichst happy.
Aber die Unterscheidung von glücklich und fröhlich ist nicht nur in der Songtextanalyse oftmals tricky (to rock a rhyme, to rock a rhyme that’s right on time)… Inhaltlich geben beide Songs nicht viel her. Ich kann mich nicht entscheiden ob ich es besser finde, wie ein Phönix auf die Bar zu zusteuern und mit dem Becher den Sternen zu zuprosten, oder einfach ein bisschen klatsche, weil ich mich wie ein Raum ohne Dach fühle. Ich kann froh sein, in meiner Phönixnacht mal wieder flachgelegt worden zu sein, ich kann mich sogar wie ein Raum ohne Dach fühlen (vorher, währenddessen und kurz nachher), bis der Schämkater einsetzt. In beiden Texten geht es jedenfalls nicht um das Glück, nachdem wir streben (oder vorgeben zu streben, der Konformität wegen).Es geht ums fröhlich sein und ein bisschen auch ums gefickt werden. Kleine Bausteine vom ganz großen Glück (mit dir im Zug nach Osnabrück). Gerade Popkultur zeigt allerdings einem jeden von uns oft genug auch die dark side of the moon, daher finde ich es fast ungerecht, die Fragen um den globalisierten Glückszwang mit einem Chartzitat aller einfachster Banane zu übertiteln.
Andererseits ist das Thema auch so alt wie die Menschheit und die letzten beiden Dekaden der Glücksmaxime zuzuschreiben finde ich etwas zu wenig. Vorher hatten wir in Europa halt ein bisschen existenziellere Probleme, trotzt derer ein jeder doch nach einer Verbesserung des Zustands strebt. Nach einem Zustand, der besser ist als zum Beispiel Krieg. Viel Krieg. Und Wiederaufbau. Und Auflehnung gegen die Spießigkeit der nicht aufgearbeiteten Nazivergangenheit der Elterngeneration. Und wieder sind die 68er an allem Schuld. Und warum, warum zur Hölle, ist die jetzige Generation nicht so arschcool wie die boys und girls von 1968?
Was ist nur los mit den müden Hipstern? Sie sitzen rum, gucken sich 24-Stunden-Videos von Pharell oder Nyan-Cat an und sind up all night to get lucky, so lange bis der Ernst des Lebens beginnt. Und an dieser Stelle wird plötzlich bewusst, wie existentiell die Anforderungen an ein Leben sind und wie das die mentale Gesundheit bedroht, wenn jeder immer nach einer Verbesserung des Zustands strebt. Es ist anstrengend, die Wahl zu haben, es ist anstrengend, dass einem alle Türen offen stehen und dass man vor lauter Role-Models nicht mehr weiß, wer man eigentlich sein möchte. Manchen hilft nur die Flucht in die Ironie und zurück in die Kindheit, manche werden zynisch, andere depressiv. Manche juckt es auch einfach mal überhaupt nicht, die machen sich keinen Stress, versuchen nicht jemand zu sein, der sie nicht sind und laufen nicht jeden Trend hinter her, auf der Suche nach Bestätigung oder dem Gegenteil davon, um die eigene Identität zu formen (sind das die wirklich Glücklichen, oder sind die nur ein Mythos, geschaffen von chronisch Unglücklichen?)
Irgendwie war das f/stop nichts anderes, als ein Aufgreifen dieser berufsjugendlichen Thematik, die mich wahrscheinlich deswegen so nervt, weil sie auch mich so trifft. Nicht zu wissen wo man hin will, weil die Optionen so zahlreich sind, ist ein Luxusproblem. Aber das macht es in meiner Lebenswirklichkeit ja nicht besser, da kann ich noch so viele Finger durch Hochglanzwerbeanzeigen bohren. Als Gegenreaktion kann man auch schlechte Laune als Attitüde züchten. Stelle ich mir aber nicht besonders witzig vor. Ich wüsste auch nicht, wie man die Thematik anders besprechen könnte, als mit Popzitaten gespickt (oder in Bezugnahme auf „Glücksforscher“, @SPIEGEL_Gesund).Vielleicht sollte das Thema auch gar nicht erst thematisiert werden, damit wir uns nicht verrückter machen, als wir ohnehin alle sind. Vielleicht sollten wir mal ein wirkliches Problem bekommen (#entschleunigung): „And the walls kept tumbling down / In the city that we love / Rain clouds roll over the hills / Bringing darkness from above“. Und bis dahin: Trinken wir auf das süße Leben und die Melancholie, auf die Füchse im Wald und das Waldsterben, auf das Global-Warming der Herzen und die Popmusik, Eisbären und das Sommerloch, auf den Therapeutenmangel und Bologna, auf McKinsey und den Finanzworkshop, zu dem ich gestern doch nicht gegangen bin, weil ich lieber mein Bett gebeizt habe.