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Dieser Ort hat mehr mit Kunst, Politik und Normen zu tun, als Du vielleicht denkst!

Auch Du hast eine Bindung zu diesem Ort. Hast auf ihm so manche Schlacht geschlagen oder dort als Teenager an Deiner ersten Kippe gezogen oder den ersten Kuss bekommen. Ob in der Stadt oder auf dem Land: Spielplätze gibt es überall! Sie gehören einfach zum guten Ton, wie der Stadtpark oder der Fussballverein und dürfen in keinem spießbürgerlichen Wohngebiet fehlen

Von Raiko Sánchez

Sobald wir allerdings älter werden, verschwinden diese allgegenwärtigen Plätze aus unserem Sichtfeld. Logisch, sind es doch hauptsächlich Orte an denen sich die Kleinsten von uns ihrer Phantasie und dem hemmungslosen Spieltrieb hingeben sollen.

Doch woher kommt überhaupt dieser Ort, der uns allen so vertraut ist und der in fast jeder Geschichte über das Erwachsenwerden ein festes Fundament hat? Was haben Künstlerinnen und Künstler mit ihm zu tun? Was bedeutet: „DIN/EN 1176“? Was hat eine Rutsche mit dem Erfolg des sowjetischen Raumfahrtprogramms zu tun? Und wieso muss in Dresden der Sand auf solchen Plätzen alle 8 Jahre gewechselt werden?

Zu erst kommt der Blick in die Vergangenheit

Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts tauchen Spielplätze vereinzelt auf. Allerdings dauert es ganze 100 Jahre, bis diese dann auch vermehrt ihren Weg in unsere Städte finden. Denn vorerst gelten sie mehr als Nebenprodukt der Industrialisierung des 20. Jahrhunderts.

Broadway Playfield, Seattle, Washington, ca. 1910. Broadway Playfield is now the Bobby Morris Playfield of Cal Anderson Park. Item 77263, Don Sherwood Parks History Collection (Record Series 5801-01), © Seattle Municipal Archives.

Der industrielle Fortschritt und seine Folgen für Mensch und Natur waren allgegenwärtig. Städte wuchsen und verdichteten sich. Einen Rückzugsraum für die Arbeiterkinder gab es bis dahin nicht. Erst die Enge in den Städten, die daraus resultierenden Wohnverhältnissen und die Tatsache, dass viele Kinder unbeaufsichtigt waren, sorgten für ein langsames Umdenken. Der Spielplatz war geboren und mit ihm die für uns klassischen Spielgeräte.

Der Spielplatz war auch immer Abbild seiner Zeit und der politischen Situation

Der Spielplatz, so wie wir ihn kennen, war natürlich einem stetigen Wandel ausgesetzt. Jungen und Mädchen zusammen auf einem Spielplatz? Was wir heute als vollkommen normal erachten, war zu Beginn undenkbar! Spielplätze wurden nämlich strikt nach den Geschlechtern getrennt. In den USA nutzte man sie auch dazu, den Kindern (insbesondere den Kindern von Immigrant*innen) moralische Wertvorstellungen zu vermitteln. Mit dem raschen Aufkommen der Stahlindustrie kam auch das nötige Know-how, um eine Vielzahl von Spielgeräten durch farbige Gerüst-Ensembles (pipe structures) zu ersetzen. Deren plakative Formen soll uns z.B. an Raketen erinnern. Denn bereits die Kleinsten sollten damals an die bahnbrechenden Erfolge der sowjetischen Raumfahrt herangeführt werden.
Und noch immer kann man sie an manch entlegenden Orten der ehemaligen Sowjetunion bewundern. Selbst die durch Kriege zerbombten Städte Europas wirkten sich zuweilen auf die Ästhetik eines Spielplatzes aus.

Dabei ist es ganz gleich welcher Art von Spielplätzen wir begegnen, alle erzählen uns davon, was die jeweilige Gesellschaft ihren Kindern zutraut, wie viel Platz sie ihnen zugesteht. Und so hat jeder Zeitabschnitt seinen ganz individuellen Look.

„pipe structures“, gefunden auf der Insel Rügen © Raiko Sánchez

Die Kunst der Gestaltung. Freiheit oder normativer Eintagsbrei?

Eine ihrer letzten Art. Die Dresdner Elefantenrutsche vom deutschen Maler und Grafiker Friedrich Kracht. Bisher hat der TÜV sie verschont. © Raiko Sánchez

In der ehemaligen DDR setzte man zum Bau vieler Spielskulpturen auf Kunststoff. Doch besonders Holzgeräte und zooomorphe Skulpturen schienen „en Vogue“ zu sein: wie z.B. die beliebte Elefantenrutsche.

Stahl und Leder. Die Elefantenrutsche im Jahre 2016 inmitten von Berlin. © Raiko Sánchez

Und im Jahre 2017? Man könnte meinen, heutzutage herrscht eine grenzenlose Narrenfreiheit, doch die Gestaltungsmöglichkeiten eines modernen Spielplatzes sind ziemlich begrenzt. Denn an erster Stelle steht die Sicherheit (DIN/EN 1176). Mit ihr der Standard und damit das Prinzip der Masse. Folglich ist somit Rutsche A in Berlin gleich Rutsche B in London.

Dabei haben es uns Spielpioniere wie der ehemalige Profiboxer und US-Amerikaner Joseph Brown oder der dänische Künstler Egon Møller Nielsen bewiesen: Kinder können mit innovativen und eher unkonventionellen Spielobjekten sehr glücklich gemacht werden!

Die Spielplastik Tufsen von Egon Möller-Nielsen in Humlegården in Stockholm, © Bengt Oberger

Allerdings gibt es nur noch wenige Künstlerinnen und Künstler, die sich mit dem Design von Spielobjekten auf progressiver Art und Weise beschäftigen. Diese Tatsache formuliert die aus Basel stammende Politologin und Stadtplanerin Gabriela Burkhalter in einem Interview (vom 16.08.2016 auf resorti.de) recht treffend:

„Im Unterschied zu den 1960er und 70er Jahren fühlen sich diese Berufsgruppen nicht mehr für den Spielplatz zuständig. Ohne die Einmischung von Kunst, Design, Architektur und Landschaftsarchitektur und auch von den Benutzern kann es keine spannenden Spielplätze geben.“

Individualismus oder Großindustrie? Der Spielplatz aus dem Katalog.

Hinter der Planung und Produktion von Spiellandschaften steht mittlerweile eine ganze Industrie. Aber die wenigsten sind auch wirklich spannend. Zwar ist der Markt groß, aber auch hart umkämpft. Ein Unternehmen das mitmischen darf und aus dem Einheitsbrei hervorsticht, ist der dänische Spielplatzhersteller Monstrum. Denn die im Jahre 2003 von den Bühnenbildnern Ole Barslund und Christian Jensen gegründete Manufaktur ist bekannt für dynamische und sehr fantasievollen Spielplatzdesigns.

Das aus Architekt*innen, Designer*innen, Künstler*innen und Handwerker*innen bestehende Unternehmen lässt mit viel Geschick und handwerklichem Können ganze Welten entstehen. In Deutschland hingegen baut man lieber auf die fehlende Qualifizierung der ansässigen Ämter, die unsere Parks und Hinterhöfe, eher lieblos, mit trostlosen Spielanlagen aus diversen Katalogen dekorieren. Hinzu kommt, dass es den meisten Kommunen und Städten an finanziellen Mitteln fehlt, um in teure und eindrucksvolle Spiellandschaften zu investieren.

Darüber hinaus ist zu beobachten, dass sich Spielanlagen zunehmend in den Indoor Bereich verlagern. Die sogenannten Hallenspielplätze gibt es inzwischen in fast jeder größeren Stadt. In alten, verlassenen Tennis – oder Lagerhallen findet man nun, über mehrere Etagen verteilt, Spiellabyrinthe mit Rohrrutschen, Tellerschaukeln und! ACHTUNG! Darkrooms. Was Familien, Vereinen und den Kindern angeboten wird ist ein 360 Grad Programm. Bestehend aus einer Kombination von Spiel, Spaß und Fastfood.

Doch zurück ins Freie! Während uns also die Industrie und einzelne, unabhängige Herstellfirmen mit Spielplätzen versorgen, wäre noch die Frage zu klären, wessen Entscheidung letztlich das Rad in Bewegung setzt. Dazu muss man aber wissen, dass jede Gemeinde ihre eigene Spielplatzsatzung besitzt.

Eine Satzung ist ein Regelwerk, das Richtlinien in einem Katalog bündelt. So legt die Satzung der Landeshauptstadt Dresden vom 18. Dezember 1998 (aktuellste) fest, dass ein Spielplatz windgeschützt sein muss oder sich nicht im Schlagschatten der Gebäude befinden darf. Oder das der Sand alle 8 Jahren erneuert werden muss. Interessant ist zudem, dass bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen, die Eigentümer dazu verpflichtet sind, den dort lebenden Bewohnern und deren Kindern einen Spielplatz zur Verfügung zu stellen und diesen auch zu unterhalten.

Einen Mangel an Spielplätzen müssten wir also in der Bundesrepublik nicht befürchten. Doch die wenigsten bieten wirklich die nötigen Freiräume.

Vielmehr sind die meisten, ganz gleich ob In- oder Outdoor Bereich wie schnell konsumierbares Fastfood.  Oder um es mit den Worten des deutschen Spielplatzdesigners Günter Beltzig zu sagen: „Der öffentliche Spielplatz ist eigentlich eine Krücke, die wir wegschmeißen könnten, wenn wir eine kindgerechtere Welt hätten“.

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