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GROSSE ERWARTUNGEN. Gerrit Frohne-Brinkmann: WE HAVE A T-REX

Eigentlich sind die Paläobotanikerin Dr. Ellie Sattler und der Paläontologe Dr. Alan Grant schon am Rande ihres Fassungsvermögens. Gerade sahen sie das erste Mal in ihrem Leben leibhaftige Dinosaurier, doch als John Hammond, der Geldgeber und Erbauer des Jurassic Park aus Steven Spielbergs gleichnamigen Film von 1993, ihnen beiläufig mitteilt, dass der T-Rex im Park mit einer Laufgeschwindigkeit von 32 Meilen pro Stunde gestoppt wurde, wollen sie ihm nicht glauben. Nach seiner amüsierten Beteuerung, „We have a T-Rex.“, ist die Ohnmacht für die beiden Wissenschaftler nahe. Das ikonische musikalische Leitmotiv des Films erklingt und Hammond begrüßt die Protagonisten und das Kinopublikum mit den Worten: „Welcome to Jurassic Park.“

Ein Gastbeitrag von Tobias Peper

Wohl ein Großteil aller Kinder der 1990er kann sich noch an das wohlige Schaudern erinnern, mit dem für uns damals das Abenteuer in einem der erfolgreichsten und noch heute in technischer Hinsicht überragenden Filme der Geschichte begann.

WE HAVE A T-REX, 2017, Cardboard, paper, wood, steel, aluminium, PU foam, foil, resin, filler, glue, paint, glazed porcelain, glass, wire, MP3 player, amplifier, exciter, sound file
390x110x520cm; 100x100x40cm; 30x14x12cm
Courtesy the artist, Fotos von Volker Renner

Aus eben jener Szene entlehnt Gerrit Frohne-Brinkmann (*1990 in Friesoythe, lebt und arbeitet in Hamburg) den wortwörtlich vielversprechenden Titel seiner aktuellen Ausstellung in der Kölner artothek – Raum für junge Kunst: WE HAVE A T-REX. Sie ist Teil des ART COLOGNE Award for NEW POSITIONS, den Frohne-Brinkmann 2016 erhielt. Der Künstler, der bei Ceal Floyer und Andreas Slominski studierte, ist fasziniert von Schlüsselmomenten der Unterhaltungsindustrie und untersucht ihr vereinnahmendes Potenzial sowie ihre Schnittmengen zur Kunst. Seine Arbeiten analysieren das Wechselverhältnis von High- und Lowbrow, lassen beide Welten miteinander kollidieren und spielen mit den Klischees der jeweils anderen. Ein grundlegendes Interesse ist dabei die Beschäftigung mit Erwartungshaltungen.

Warum sind wir fasziniert vom Schein der Popkultur? Welchem Versprechen gehen Betrachter*innen von Kunst nach? Und was passiert, wenn Beides miteinander verschränkt wird?

Ausstellungsansicht: Gerrit Frohne-Brinkmann, WE HAVE A T-REX, 2017 (Detail). Foto: Volker Renner

Mit einfachen Mitteln inszeniert der Künstler in Köln den Umschlagspunkt aus Spielbergs Jurassic Park, jene Szene, in welcher der lang ersehnte T-Rex seinen ersten Auftritt vor der Kamera hat und die Handlung sich vom Abenteuerfilm zum Science-Fiction-Horror wandelt.

Zwei vibrierende Gläser auf dem Armaturenbrett von einem der Jeeps, mit denen die Besucher*innen auf Preview-Tour durch den Park sind, kündigen das nahende Unheil an. Ein durch Erschütterung wackelnder Rückspiegel in einem der Fahrzeuge wird für einen kurzen Moment noch hoffnungsvoll als Zeichen des wieder anspringenden Stromgenerators, der zuvor ausfiel, gedeutet. Doch es sind die schweren Schritte des Dinosauriers, die die Erde zum Beben bringen. Plötzlich bricht das urzeitliche Raubtier durch den meterhohen Hochspannungszaun, zerfetzt ihn wie ein Spielzeug und lässt ein markerschütterndes Brüllen los. Das Chaos nimmt seinen Lauf und der vermeintlich so gut organisierte und überwachte Park versinkt in der Katastrophe.

Ausstellungsansicht: Gerrit Frohne-Brinkmann, WE HAVE A T-REX, 2017. Foto: Volker Renner

Frohne-Brinkmann baut in seiner Ausstellung die für den Spannungsaufbau entscheidenden Requisiten nach. Ein über fünf Meter hoher Zaun, dessen Stahlseile zerrissen und Pfosten verbogen sind, wird zur einen Seite von einem an der Wand hängenden, zitternden Spiegel flankiert. Zur anderen Seite steht die rechte Hälfte einer Fahrzeugkonsole, auf der das Wasser in zwei Gläsern beständig konzentrische Kreise wirft. Der Betonfuß des Zauns ist schmutzig und die Trägerelemente mit Patina überzogen, es scheint, als hätte er tatsächlich schon eine Menge mitgemacht.

Beim Betreten des Raums zieht seine Monumentalität den Blick nach oben und man wähnt sich kurz tatsächlich einer massiven Konstruktion gegenüber. Doch schon nach wenigen Schritten durch den Raum offenbart sich der zu den Seiten offene Unterbau des Zauns als hohl und merkwürdig fragil, sodass rasch auch die Echtheit der Streben in Frage gestellt wird.

Während das zentrale Objekt der Ausstellung zumindest für einen Moment den Eindruck von Realität aufrecht zu erhalten vermag, entlarven sich die beiden anderen Gegenstände nahezu sofort als konstruierte Effekte.

Mit großer Akribie hat Frohne-Brinkmann alle Objekte aus simplen Materialien gebastelt und dabei immer wieder bewusst Nachlässigkeit walten lassen. Während an der linken Seite des Armaturenbretts noch der Rahmen des daran anschließenden Monitors, der im Film selbst nur für wenige Sekunden zu sehen ist, angedeutet wird, folgt darauf gleich eine offene Schnittkante und der Unterbau der Konsole ist sofort als unbehandelte Pappe auszumachen. Auch der Rückspiegel zeigt bei näherer Betrachtung seiner Umfassung die Spuren der Handarbeit Frohne-Brinkmanns. Statt des im Ausstellungstitel versprochenen Spektakels hat man es eher mit einer brüchigen Inszenierung zu tun, die mehr mit Hobbykeller als mit Hollywood zu tun hat.

Es geht dem Künstler eben nicht darum, eine perfekte Replik zu schaffen, sondern um das Offenlegen der Illusion – nicht um irgendetwas zu entlarven, vielmehr ist es ein Ausloten davon, wie viel Sein für den Schein vom Sein nötig ist.

Ausstellungsansicht: Gerrit Frohne-Brinkmann, WE HAVE A T-REX, 2017 (Detail). Foto: Volker Renner

Dass eine Filmkulisse selbst nur Fiktion ist, muss niemandem erzählt werden und doch lassen wir uns gerne von ihrem Zauber einfangen. Wer schon einmal im Filmpark Babelsberg auf Fuchur, dem Glücksdrachen aus der Verfilmung von Michael Endes Die unendliche Geschichte, geritten ist, am Bahnhof King’s Kross in London angestanden hat, um wie Harry Potter in der Wand zu Gleis 9¾ zu verschwinden, oder in einem der unzähligen Vergnügungsparks durch eine Westernstadt, einen Märchenwald oder das Paris des 19. Jahrhunderts geschritten ist, kennt das Gefühl. In vollem Bewusstsein über den inszenierten Fake erleben wir doch einen aufrechten Moment der Freude durch das Auslösen von Erinnerungen, die Rückführung an ein visuelles Schlüsselerlebnis, das uns auf die ein oder andere Art geprägt hat. Frohne-Brinkmann selbst beschreibt es als eine authentische Erfahrung im Unauthentischen.

Vielleicht trifft der Künstler damit einen Nerv unserer Zeit, in der der metaphorischen Dinosaurier ebenfalls ausgebrochen zu sein scheint und in der wir „postfaktisch“ bereitwillig zum Wort des Jahres küren.

Während andernorts Kunst mit ernster Miene bisweilen wie ein Tatsachenbericht inszeniert wird, erfrischt Frohne-Brinkmanns Arbeit mit doppelbödigem Humor, mutiger Unbefangenheit und Scharfsinn. Seine Kunst lässt sich nur schwerlich von angesagten Diskursen und Debatten vereinnahmen. Allzu leicht ließe sich beispielsweise die in Köln aufgebaute Drohkulisse mit der aktuellen Nachrichtenlage assoziieren und die Ausstellung als politischer Kommentar auf das Weltgeschehen lesen. Jedoch würden uns die offensichtlichen Inszenierungen und Konstruktionen bald auf das glatte Eis von Verschwörungstheorien führen, wollten wir die Metapher konsequent zu Ende denken.

Dem verlockenden Aufruf WE HAVE A T-REX folgend, werden wir in Frohne-Brinkmanns Ausstellung auf unsere eigenen auf die Kunst projizierten Erwartungen zurückgeworfen und sind aufgefordert, diese zu überprüfen. Wer dabei die eigene Subjektivität und das ambivalente Verhältnis von Werk und Publikum nicht mitdenkt, läuft Gefahr, vor eine Pappwand zu laufen.

Die Ausstellung WE HAVE A T-REX ist noch bis zum 24. Juni in der artothek – Raum für Junge Kunst in Köln zu sehen.
Vom 26. Juni bis 23. Juli zeigt die Galerie Noah Klink Arbeiten von Frohne-Brinkmann in der Gruppenausstellung The Ballroom Community.

Ausstellungsansicht: Gerrit Frohne-Brinkmann, WE HAVE A T-REX, 2017. Foto: Volker Renner

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