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Installation

YANA ZSCHIEDRICH

Lebt und arbeitet in Leipzig, Deutschland

Yanas Arbeiten entstehen meist durch das Durchlaufen von Subtraktionsprozessen, wobei sie sich unterschiedlicher digitaler und analoger Medien bedient. 

Mithilfe derer erschafft sie Installationen, die sich mit der Beziehung zwischen Architektur, Gesellschaft und Natur auseinandersetzen. Dabei untersucht sie, wie Architektur durch politische Interessen gestaltet wird und welche Effekte dies auf Gesellschaft, menschliche Psyche und Ökosystem haben kann. 

Ihr besonderes Interesse gilt dabei der Psychologie von Orten und der Frage, wie sie sichtbar und erfahrbar gemacht werden können. Dabei setzt sie auf Materialien wie Beton, Stahl, Glas, Styrodur usw., die starke Bezüge zur Architektur herstellen und gleichzeitig auf standardisierte Produktionsprozesse in der Architektur verweisen sollen.

In antiken griechischen Tragödien wurde Hybris als Auslöser für das Scheitern vieler Protagonist*innen verwendet, die in ihrer Überheblichkeit die von Göttern gegebenen Gesetze ignorierten. Auf die menschliche Hybris folgt darin häufig die göttliche Bestrafung.

Die Installation „Hybris“ befasst sich unter anderem mit der Verdammung der Natur durch die Verbreitung eines humanzentrischen Weltbildes und den Versuchen der Menschen, nachfolgenden Auswirkungen zu entkommen.

In der Installation Hybris lasse ich den Dämmstoff Styropor von Mehlwürmern zersetzen, die ihrerseits eigentümlich amorphe Skulpturen hervorbringen. Ein temporäres Labor für bildhauerische Forschung ist entstanden.

Darin versuche ich verschwinden zu lassen, wofür es aktuell noch keine nachhaltige Entsorgungsmethode gibt, obwohl schon seit den 80ern mit Polystyrol gedämmt wird.

Industrie und Lobbyverbände spielen dabei die Gefahr herunter. „[…] Dämmstoffe sind für Mensch und Umwelt unbedenklich“, heißt es weiter beim Chemiekonzern BASF, einem der großen Hersteller von Dämmmaterial. Bedenkliche Stoffe seien fest mit dem Styropor verbunden und kaum wasserlöslich.
Die Papiere der EU-Chemikalienbehörde und des Umweltprogramms der Vereinten Nationen lesen sich anders. Mehr als eine Tonne des Gifts gelangt durch Produktion, Einbau und Auswaschung an der Fassade jährlich in die Umwelt, allein in der EU.

Laut der Deutschen Umwelthilfe fallen im Zuge der Energiewende, alleine in Deutschland im Jahr mehr als 40.000 Tonnen Abfälle an. Dabei zeigen Studien: Wärmedämmung ist oft unwirtschaftlich und umweltschädlich.

Wissenschaftler*innen haben herausgefunden, dass Mehlwürmer ein Enzym besitzen, welches in der Lage ist Polystyrol aufzuschließen. Die Ausscheidungen der Mehlwürmer sind auch nach dem Verzehr von Polystyrolen biologisch abbaubare Substanz, also völlig unbelastet. Man könnte die Ausscheidungen sogar als Dünger verwenden. Anders als andere Lebewesen, scheint es den Larven nicht zu schaden, im Gewebe der Larven sind Polystyrole nicht zu finden.

Das industriell gefertigte Plattenmaterial mit einer geschätzten Halbwertszeit von 5000 Jahren wird dank der gefräßigen Larven zu einer Art ephemeren Masse, indem der Zersetzungsprozess um tausende von Jahren beschleunigt wird. Diese Fähigkeit wende ich für meine Zwecke an. Am Anfang stand die Idee eine bildhauerische Gestaltung von Polystyrolplatten an die Larven abzugeben – in knapp
einem Jahr täglichem Zuchtalltag entwarf ich diese halb automatisierte Zuchtstation, in der die Larven unter optimalen Bedingungen fressen können.

Insgesamt habe ich bisher bis zu 10 Kilo Mehlwürmer, Puppen und Mehlkäfer gepflegt, sortiert, beobachtet und verfüttert, zu jeder Jahreszeit. Während dieser Zeit konnte ich beobachten wie Raumtemperatur, Lichtverhältnisse, Futter- und Platzangebot usw. Einfluss auf deren Entwicklung und Verhalten nahmen.

Jedes Teil an dieser Zuchtmaschine soll der Optimierung des Zuchtalltags dienen und jedes Teil das hier verbaut ist, ist eine logische Konsequenz, aus Beobachtung, Erfahrung und Recherche.
Je wohler sich die Larven fühlen, desto besser arbeitet ihr Enzym, umso effektiver wird das Styrodur verwertet.

Die Sicherstellung des Wohlbefindens der Mehlwürmer ist auch die Garantie für ein gelungenes bildhauerisches Resultat bzw. Kunstprodukt.

Es entstehen in diesem Prozess zwei Produkte, nämlich die angefressenen Styrodurplatten und die eingeschweißten Kot Pellets. 
Der Kot der Larven ist Teil der Dämmplatten, allerdings durch einen Transformationsprozess gezeichnet. Tote Materie wird durch die Transformation zum Leben erweckt. Dadurch ist die tote Materie der Dämmplatte plötzlich in der Lage Boden fruchtbar zu machen. Diese “heilige Masse“ pelletiere und konserviere ich durch pressen, vakuumieren und einschweißen

Der Entdeckung des Enzyms hat der Mehlwurm zu verdanken, dass er seither zu einem der Heilsbringer der Zukunft zählt. Er könnte die Lösung für unser hausgemachtes Müllproblem werden und den Kreislauf endlich schließen.

Eine Larve, die vom Mensch einst zum Schädling degradiert wurde, soll mithilfe seines Enzyms die Welt vor dem ungelösten Recyclingproblem von Sondermüll retten.
Während der “Heilsbringer“ Dämmstoff zum Schädling mutiert verwandelt sich der Schädling Larve zum Heilsbringer. Dessen vernichtende Kraft gleicht plötzlich einer Errettung!
Dämmmaterial und Zuchtmaschine stehen sinnbildlich für die Haltung des Menschen, auch ihm eigens untergeordneten Lebewesen gegenüber. Der Mensch als eine Art Gott. In seiner Überheblichkeit entscheidet er über Wert und Minderwertigkeit von Lebewesen, degradiert und erhebt. 

Hybris ist aber nicht nur eine Haltung, sie ist auch immer mit einer Handlung verbunden. Es heißt, Hybris trägt die Strafe in sich. Auf Hybris folgt zwangsläufig Nemesis.

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