Von Fay Lazariotis
VASiSTAS:
Du machst gerade dein Diplom im Studiengang Graphik an der Burg in Halle. Deine Abschlussarbeit wird allerdings ein performatives Werk sein. Wie kamst du zur Performance?
Julia:
Meine Vorstellung von Kunst war zunächst, dass ich richtig gut zeichnen lernen muss. Aus dem Grund habe ich erst einmal eine Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin gemacht, was mir dann doch zu statisch war. Dann habe ich 2013 an der Burg angefangen. Damals wusste ich noch nicht, dass ich Performance machen will. Ich habe nur nebenbei viel getanzt und den Tanz als Hobby betrieben. Dann wurde es mir immer wichtiger, auch in der Kunst etwas mit meinem Körper zu machen.
Die Burg ist durch ihre Geschichte als Kunsthandwerksschule sehr auf das Technische bedacht und das schließt eher die alten Techniken wie Skulptur und Zeichnung ein. Es gibt aber immer mehr Studenten, die das als Problem wahrnehmen und versuchen, neue Kunstformen wie Performance voranzutreiben. Außerdem gibt es gerade einen starken Wechsel an Professoren. Mein neuer Prof hat kein Problem damit, dass ich eine Performance mache und trotzdem in der Grafik bin. Als Hauptprüfer habe ich dann aber nicht meinen Prof, sondern die Professorin der Kunstpädagogik, eine Assistentin von der HGB Leipzig und eine Philosophin, die sich alle drei auf unterschiedliche Weise mit Performance beschäftigen.
VASiSTAS:
Der Tanz spielt bei dir eine große Rolle.
Julia:
Ich tanze seit ich zwei Jahre alt bin. Irgendwann bin ich ans Heinrich-Schütz-Konservatorium in Dresden gekommen. Das ist eigentlich eine Musikschule, aber es existiert dort auch eine Tanzabteilung. Die dortigen Lehrer haben mich gut gefördert haben, allerdings auch sehr viel Druck ausgeübt. Deswegen war ich immer mehr versteift am Schluss. Ich habe gemerkt, dass ein normales Tanzstudium für mich nichts ist, denn ich habe mich wie eine Puppe gefühlt und neben dem Studium wäre kaum Zeit für eigene Projekte und echte Selbstverwirklichung geblieben. Du kriegst da eben einen spezifischen Stil aufgetragen und dein Körper wird je nach dem, was gefordert wird, geformt.
VASiSTAS:
Man kann Tanzhochschulen eigentlich ganz gut mit Kunsthochschulen vergleichen, weil sie auch oft für einen gewissen Stil bekannt sind.
Julia:
Die Schulen bedienen sich auf jeden Fall an diversen Stilen. Auch die Frage, was einen Tänzer ausmacht, ist dabei immer unterschiedlich. Es gibt viele Tänzer, die nicht den perfekten Tänzerkörper haben und genau das dann ihre Stärke ist – das wird aber nicht bei allen Tanzhochschulen akzeptiert. An den Tanz sowie an die Kunst muss man mit Selbstreflexion herangehen.
„Aus dem zu schöpfen was man hat und nicht versucht, sich auf Teufel komm raus zu verbiegen, ist mir beim Tanz aber auch in meiner Kunst wichtig.“
VASiSTAS:
Du hast mal gemeint, dass dein Blick sehr graphisch ist. Wie wirkt sich das auf dein Werk aus?
Julia:
Ich denke nur zweidimensional, vielleicht weil ich nur zweidimensional sehen kann. Wenn ich eine Performance entwickle, denke ich erst über den Blick des Zuschauers auf den Raum, auf den Ausschnitt nach. Deswegen fühle ich mich beim choreographieren auch nicht so richtig als Tänzerin. Das funktioniert vielleicht eher skulptural, von allen Seiten, im Raum. Für mich sind das graphische Bilder. Film ist in dem Zusammenhang im Prozess auch sehr wichtig für mich.
VASiSTAS:
Wie entsteht eine Performance bei dir?
Julia:
Freie Improvisation versuche ich aus meinem Werk herauszuhalten, soweit es geht. Zum Beispiel habe ich eine Arbeit, die aus drei Handbewegungen besteht. Diese reihe ich 15 Minuten lang in immer wieder anderer Abfolge aneinander.
„Meine Bewegungen sind durchkonstruiert, auch wenn sie Spielräume erlauben.“
VASiSTAS:
Gibt es im Tanz bestimmte KünstlerInnen, die dich auch bei deinen Performances inspirieren?
Julia:
Mich inspiriert vor allem Anne Teresa de Keersmaeker, die mitunter berühmteste Choreografin in Belgien. Was ich an ihr so bewundere, ist die Klarheit der Bewegungen, die fast zweidimensional wirken. Ihre Choreografien enthalten auch viele Alltagsbewegungen, die an sich eigentlich jeder nachmachen kann. Die alten Stücke sind durch eine präzise Ausführung gekennzeichnet, die mit einer speziellen Atmung spielt, sodass sie ganz schnell sehr anspruchsvoll werden.
Sie spielt mit Geschwindigkeit und Wiederholungen und macht auch viel zur Musik von Steve Reich, der ja auch für seine teilweise repetitive Musik bekannt ist. In ihren neueren Stücken lässt sie den Tänzern außerdem viel Freiraum, sodass eine gewisse Natürlichkeit aufkommt. In ihren Werken ist viel Platz für Improvisation und dennoch besitzen die einen klar definierten Rahmen.
VASiSTAS:
Moderner Tanz ist oft eine sehr persönliche Ausdrucksweise. Ist es zwingend, dass Performance etwas persönliches hat? Dass Kunst einen persönlichen Bezug zum Künstler hat?
„Ich fungiere eher als ein Körper ohne Inneres. Allerdings denke ich, dass eine Sache automatisch persönlich wird, wenn man seinen Körper benutzt.“
Julia:
Immer wenn man mich im Film sieht, spielt eine gewisse Neutralität eine Rolle. Ich zeige keine Unsicherheit, die ich ja schon habe wie eben jeder andere auch. Ich fungiere eher als ein Körper ohne Inneres. Allerdings denke ich, dass eine Sache automatisch persönlich wird, wenn man seinen Körper benutzt. Sonst könntest du es ja auch animieren oder zeichnen.
Im Sommer bin ich oft in der P.A.R.T.S. Summer School in Brüssel. Da lernt man sich selbst und sein Potential kennen. Dieses Jahr hatte ich unter anderem den Workshop „Body Work“, da ging es hauptsächlich um Faszien. Dann geh ich auch immer auf das Impulstanzfestival in Wien, da hatte ich einen Release-Tanzkurs. Dabei ging es darum, mit möglichst wenig Muskelaufwand, zum Beispiel mittels Schwingen oder fallen lassen, möglichst viel zu erreichen.
„Man lernt sich neu zu erfinden und dann loszulassen.“
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