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Kennst du eigentlich? Heute: Galerie Wedding

Von Dresden über New York nach Berlin. Heute stellen wir euch in unserer Reihe „Kennst du eigentlich?“ das erste Interview aus der Hauptstadt vor: Die städtische Galerie Wedding liegt zwischen der Müllerstraße und dem Leopoldplatz und ist ein Treffpunkt für zeitgenössische und kritische Kunst.

In der Rubrik „Kennst Du eigentlich?“ stellen wir dir Orte vor, an denen Kunst gemacht, gezeigt, besprochen oder anderweitig zelebriert wird. In 10 Fragen und 10 Antworten lernst du nicht nur die Räume, sondern auch die Verantwortlichen dahinter besser kennen.

VASiSTAS:
Stellt Euch doch erst einmal vor, wer seid Ihr denn überhaupt?

Galerie Wedding:
Ich bin Solvej Helweg Ovesen und komme ursprünglich aus Dänemark, Roskilde. Studiert habe ich u.a. an der Humboldt Universität Berlin und ich war bei De Appel in Amsterdam. Dort habe ich als Kuratorin gearbeitet. Seit 2015 bin ich die künstlerische Leiterin der Galerie Wedding – Raum für zeitgenössische Kunst. 2014 wurde ich gefragt, wie ich so eine öffentliche Galerie kuratieren und leiten würde und habe daraufhin die Idee mit den 2-jährigen kuratorischen Themen, “Deep curating”, konzipiert. Dazu gehören auch neue Einzelprojekte von Künstlerinnen aus der ganzen Welt, die in Berlin praktizieren. Ich wollte immer einen dynamischen Raum. Deswegen gibt es auch eine Ko-Kurator*in. Zuerst war es Bonaventure Ndikung und dann Nataša Ilić.

Sehr zentral in dem Team in der Galerie Wedding ist seit 2015 die Produktionsleiterin, Künstlerin und Aktivistin Kathrin Pohlmann – auch dank ihr werden die neuen Werke, Neuproduktionen, die wir sehr oft präsentieren, immer sehr sorgfältig mitentwickelt und betreut. Wir haben aber auch professionelle Volontäre, die jeweils für zwei Jahre direkt vor Ort die Galerie im Bereich Programmkoordination und Presse betreuen und essentiell für das Team und die Galerie sind.

Soft Solidarity (SoS) setzt 2019/20 den Rahmen für das Programm in der Galerie Wedding. Das Kuratorinnenteam, bestehend aus Nataša Ilić und mir, greift aktuelle Positionen von in Berlin lebenden Künstler*innen auf und bringt sie mit anthropologischen, gesellschaftspolitischen, aber auch ganz alltäglichen Fragen in Verbindung. SoS untersucht die tiefen Krisen der Solidarität und setzte sich mit der Notwendigkeit, auf die Bedürfnisse der Menschen zu reagieren, auseinander.

Das Programm umfasst 2020 vier Einzelausstellungen der Künstlerinnen Konstanze Schmitt, Marina Naprushkina, Ana Alenso und Eli Cortinas, sowie eine Ausstellung des Künstlers Julian Irlinger (kuratiert von Jan Tappe).

Die künstlerische Leiterin der Galerie Wedding, Solvej Helweg Ovesen, ©Robert Eckstein

„Wie schon das Bauwerk Teil eines utopischen Gesellschaftsentwurfs war, folgt die Galerie Wedding dem Anspruch, ein Ort für zeitgenössische künstlerische Ausdrucksformen und zukunftsweisende gesellschaftspolitische Modelle zu sein.“

VASiSTAS:
Wo findet man Euch?

Galerie Wedding:
Die Galerie Wedding – Raum für zeitgenössische Kunst ist eine städtische Galerie in Berlin Mitte. Sie befindet sich inmitten eines urban und multikulturell geprägten Stadtteils zwischen Müllerstraße und Leopoldplatz in einem historischen Gebäude des Expressionismus. Wie schon das Bauwerk Teil eines utopischen Gesellschaftsentwurfs war, folgt die Galerie Wedding dem Anspruch, ein Ort für zeitgenössische künstlerische Ausdrucksformen und zukunftsweisende gesellschaftspolitische Modelle zu sein.

VASiSTAS:
Und wo findet man Dich, wenn Du gerade nicht in der Galerie bist?

Galerie Wedding:
In Künstlerstudios oder bei Kunstevents (Eröffnungen, Biennalen, Symposien, u.a.), persönlich bin ich gerade in New York bei ISCP. Sonst auch gern zuhause bei meiner Tochter, auf einem Festival oder auf der Tanzfläche im Berghain. Einiges davon gilt für den Kern unseres Teams.

„Ich bin von elektronischer Musik – bis heute – abhängig!“

VASiSTAS:
Wie kam Berlin zu Dir?

Galerie Wedding:
Für mich persönlich kam Berlin zu mir durch die Zeitungen in Dänemark und dann die elektronische Musik in den frühen 90ern. Ich war so fasziniert von der Universität hier (Kulturwissenschaften), und den ganzen kulturellen Abenteuern in Berlin. Und ich bin von elektronischer Musik – bis heute – abhängig!

Emeka Ogboh, BEAST OF NO NATION, 2018 ©Emeka Ogboh

VASiSTAS:
Gibt es einen Moment, der Dir besonders im Kopf geblieben ist?

Galerie Wedding:
Ja, als wir das schwarze Stout Bier “Original Sufferhead” mit dem Künstler Emeka Ogboh und Kurator Bonaventure Soh Bejeng Ndikung in Wedding, 2015, als Kunstwerk zum Thema Afrikaner in Wedding produziert und dann zur Ausstellungseröffnung leergetrunken haben! “Original Sufferhead” hatte 8,2 Promille und einen Nachgeschmack von Mango und Bitterleaf. Später ging das Projekt an die Documenta 14 mit der (Kunst-) Werbekampagne “Wer hat Angst vor Schwarz”, 2017.

2018 haben wir dann sogar mit Emeka Ogboh ein Weddinger Bier gebraut, welches „Beast of No Nation“ heisst und auf einer Recherche mit den Menschen vor Ort basierte, wie der Wedding „schmeckt“.

„Wir reagieren mit neuer Kunst auf den Alltag und auch die Probleme in Berlin.“

VASiSTAS:
Warum braucht Berlin Euch?

Galerie Wedding:
Weil die Galerie Wedding neue Gedanken und Kunstwerke mit superguten Künstler*innen aus der ganzen Welt inklusive aus Deutschland zur Geburt bringt. Weil wir uns Zeit nehmen tiefer zu gehen, länger und öfter mit den Künstler*innen und deren Ideen zu arbeiten und weil wir ein super nettes nicht-hierarchisches Team sind. Wir reagieren mit neuer Kunst auf den Alltag und auch die Probleme in Berlin.

„Kunst ist eine wichtige Wissensquelle für mich, wichtiger als die Nachrichten.“

VASiSTAS:
Wer oder was hat Euch/Dich inspiriert bzw. tut das vielleicht immer noch?

Galerie Wedding:
Menschen, Empathie, elektronische Musik und Kunst. Kunst ist eine wichtige Wissensquelle für mich, wichtiger als die Nachrichten. Sich mit den Visionen von Künstler*innen auseinanderzusetzen und diese gemeinsam zur Aufführung zu bringen inspiriert das gesamte Team in der Galerie Wedding.

Peter Voss-Knude, THE LANGUAGE OF TERROR IS TERROR ITSELF, 2019 ©Marlene Burz

„Wir müssen Solidarität schaffen!“

VASiSTAS:
Was steht in Zukunft an?

Galerie Wedding:
Wir realisieren ein SoS Assembly im Herbst als Abrundung von unserem zweijährigen kuratorischen Programm „Soft Solidarity“ in der Galerie Wedding. Dafür werden wir viele wichtige Gruppen, Theoretiker*innen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Partner*innen der Stadt versammeln, um Solidarität heute zusammen zu spüren und zu leben.

Wir müssen Solidarität schaffen! Mit „Assembly“ planen wir vom 12.11. bis 14.11.2020 eine soziale und diskursive Verortung von SoS (Soft Solidarity) im Wedding als Abschluss des zweijährigen Programms der Galerie. Inspiriert von der Geschichte des „Roten Weddings“, von unserem Ausstellungsraum, welcher mit seinen großen Fenstern als Membran zum Wedding und zum Leopoldplatz funktioniert und von dem Wandel des Solidaritätsbegriffs (»Was ist Solidarität heute?«, Rainer Zoll, 2000), wollen wir mit Künstler*innen, Denker*innen und Organisationen zusammenkommen.

Wir möchten mit historischen Ausgangspunkten beginnen, der Zeit des Mauerfalls, aber auch dem Arabischen Frühling und weiter zu einer Demokratisierung des Solidaritätsbegriffes kommen – wer kann sich mit wem solidarisieren? Wie wird jemand in den Wedding integriert? Welche Geschichten werden hier erzählt und welche müssen noch erzählt werden? Wer oder was macht heute den Wedding noch „rot“? Wie können wir Allianzen neu denken?

VASiSTAS:
Was sollte man in nächster Zeit auf gar keinen Fall verpassen oder was kann man sich guten Gewissens sparen?

Galerie Wedding:
Man sollte unbedingt die Ausstellungen “Love Meetings oder Liebe in Zeiten des Kapitalismus” von Konstanze Schmitt und die Nachfolgeausstellung “Keine Zeit für Kunst” von Marina Naprushkina NICHT verpassen. Verpassen sollte man ganz viele Sachen.

Konstanze Schmitt, LOVE MEETINGS ODER LIEBE IN ZEITEN DES KAPITALISMUS, 2020 ©Juan Saez

VASiSTAS:
Habt Ihr zum Ende noch ein treffendes Schlusswort oder eine Lebensweisheit für
unsere Leser*innen?

Galerie Wedding:
Kunst ist ein Schaufenster zum Leben und ohne Kunst verpasst man ganz viel um sich herum.

Vielen Dank für das ausführliche und herzige Interview, liebe Solveig und liebes Team der Galerie Wedding! 

Besucht die derzeitige Ausstellung Love Meetings oder Liebe in Zeiten des Kapitalismus!


Die Galerie Wedding ist Dienstag  bis Samstag von 12 – 19 Uhr geöffnet. 

Für mehr Informationen über die Galerie könnt ihr ihre Website besuchen.

Du willst über einen ganz bestimmten Ort noch mehr wissen? Dann schreib uns gerne, was dich noch interessiert!

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