Ich muss zugeben, dass ich in besagtem Off-Space noch nie war. Als ich dort aber ankam, habe ich mich in den Räumen direkt wohlgefühlt. Dazu kam noch mein unsagbar gutes Timing. Denn an diesem Samstagvormittag war der Künstler persönlich vor Ort und nahm mich gleich mit auf einen kleinen Rundgang durch seine Ausstellung mit dem Titel: „Hey! You have ruined everything“. Diesen Aufwand betreibt er übrigens nicht nur für mich, sondern für alle Besucher*innen. Toll!
Zuerst erschloss sich mir die Ausstellung nicht im Ganzen, obwohl mir bewusst war, dass sich Juan Nazar mit ganz unterschiedlichen Materialien auseinandersetzt. Thematisch bezieht er sich auf die Antike und die Gegenwart. Dabei vermischt sich alles gewollt miteinander.
Die Ausstellung selbst fokussiert sich jedoch auf ein bestimmtes Ding: Den schwarzen Standfuß, in dem die temporären Straßenschilder stecken, die z.B. an Baustellen oder abgesperrten Bereichen stehen.
Er erzählte mir, dass er in diesen Standfüßen immer Gesichter gesehen hat und dann anfing damit zu experimentieren. Also nahm er mit Ton Abdrücke von ihnen und goss danach Gips hinein, um dadurch Negative zu gewinnen. Diese nutzte Nazar dann und mixt sie mit anderen Materialien. So setzt er an diese z.B. Zeichnungen von Oberkörpern oder Fotografie eines Körpers.
Durch die verschiedensten Materialitäten wirken seine skulpturalen Arbeiten wie Rahmen, in denen sich kleine Spielräume entfalten. Am liebsten würde ich die Dinge aus ihrer starren Struktur nehmen und sie immer wieder neu sortieren. Das spielerische erinnert mich an Lego oder Tetris. Umso schöner, dass Juan Nazar das genauso sieht. Er betrachtet all seine Arbeiten nämlich auch als Spiele. Genau deswegen mixt er gern so viele unterschiedliche Medien wie Styropor, Masking Tape, Karton, Zeichnung, Gips und Alltagsgegenstände.
Seine Fotografien zeigen Fragmente von antiken Skulpturen und Tempeln, die Nazar in seiner Residency-Zeit in Brescia gemacht hat. Auch hier sieht man einen spielerischen Ansatz: Das Gefühl diese Fragmente neu zu ordnen. Ich habe auch den Eindruck, dass die Bilder mich so anspringen, weil sie plastisch wirken. Desto länger man sie anschaut, umso interessanter und vielfältiger werden sie und ich entwickle den inneren Antrieb immer mehr Details finden zu wollen.
Doch nun zum Herzstück der Ausstellung: Es ist eine altar-ähnliche Konstruktion aus bunt-bemaltem Styropor, der beidseitig drei Treppenstufen bildet. Darauf stehen zwei weiße Styropor Teile als Standfuß für eine marmor-artige Platte, die durch einen orangenen Fahrradspanner zusammengehalten werden. Auf der anderen Seite dieser „Marmorplatte“ ist die Zeichnung eines männlichen Oberkörpers, der auf seinen Schultern etwas stützt. Insgesamt wirkt es fast wie ein Tempelfragment (siehe Fotografien).
Als ich so vor diesem Objekt stehe, fallen mir noch die blauen „Augen“ aus Glas auf, die ich bisher nur aus meinem Türkeiurlaub kannte. Ziemlich markant hängen sie dort. Da muss ich dann gleich mal nachfragen und erfahre: Sie haben einen ganz bestimmten Namen, nämlich Nazar. Ach sooo, denke ich mir, also genau wie du? Ja, Juan fand die Vorstellung witzig, dass er auf diese Art die ganze Zeit in der Ausstellung „anwesend“ sein kann, auch wenn er selbst gar nicht da ist.
Die Idee gefällt mir, besonders weil die Arbeit auch „aus dem Fenster guckt“ und somit Menschen zum Hineinkommen einlädt und mit ihnen interagiert. Nebenbei stehen diese Augen auch für Glück, was der Arbeit eine schöne Fußnote gibt.
Die Stimmung in der mommsen35 war wunderbar herzlich und sehr einladend. Schaut ruhig vorbei, denn es gibt viel zu entdecken!
Am Freitag, 6. März um 19 Uhr, wird es ein Künstlergespräch mit Juan und den Kurator*innen Daniela Dahlke und Teobaldo Lagos geben. Kommt gern vorbei und diskutiert über die Ausstellung.
Bis zum 14. März 2020 könnt ihr die Schau noch besuchen.