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Tausendmal kopiert, doch nie erreicht: Sibylle und Brigitte machten es vor und schrieben Geschichte.

„Sibylle“ – nie gehört? So ging es mir jedenfalls, als ich zum ersten Mal die Plakate und Flyer für die neue Ausstellung im Kunstgewerbemuseum gesehen habe. Und deswegen war ich auch nicht gleich angefixt. Ein Ausflug nach Pillnitz mit einer Freundin brachte mich dann aber überraschend in ein Modefotografie-Paradies und zu einem unverhofften Meet & Greet mit dem Türsteher des Berghains.

Von Maria Radke

Gegründet 1956 von Sibylle Gerstner, Namensgeberin der Zeitschrift, avancierte diese in der ehemaligen DDR schnell zum Verkaufsschlager und war regelmäßig vergriffen. Die Ausstellung „SIBYLLE 1956 – 1995. Zeitschrift für Mode und Kultur“ widmet sich nun im Kunstgewerbemuseum im Schloß Pillnitz Werken verschiedener Fotografen*innen, die für das Magazin in den Jahren 1956 – 1995 primär tätig waren. Zu sehen ist die Schau, die in einer Kooperation mit der Kunsthalle Rostock entstanden ist, noch bis zum 4. November.

Im Eingangsbereich hängen verschiedene Ausgaben der Sibylle von der Decke.

Wir wollten unbedingt bei einem Künstler*innengespräch teilnehmen und haben uns mit unseren Fahrrädern auf den Weg zum Wasserpalais gemacht. Das Gespräch mit Ute & Werner Mahler haben wir leider schon ein paar Wochen vorher verpasst, aber eine andere Fotokunst-Größe wartete an dem Tag auf uns.  Nach dem Mauerfall rief das Ehepaar Mahler mit anderen Fotograf*innen die bekannte Agentur „OSTKREUZ“ ins Leben. 2004 folgte dann die Gründung der „OSTKREUZSCHULE für Fotografie und Gestaltung“ in Berlin. Und: Beide haben sehr lange für die Sibylle fotografiert.

Aber: Zu unserem Glück kamen wir gerade noch pünktlich zum Gespräch mit Sven Marquardt. Er ist ebenfalls Fotograf, aber auch Türsteher von einem der weltweit bekanntesten Clubs: dem Berghain in Berlin. Früher hat er viele Frauen für die Sibylle vor der Kamera gehabt. Was für ne coole Socke, dachten wir uns.

Sven Marquardt während des Künstlergesprächs.

Marquardts Erscheinung machte uns erstmal ziemlich baff. Ganz lässig stand er mit seinem To-Go-Becher in der Ausstellung und hat locker und ungezwungen ein paar Dinge aus seinem Leben erzählt. Er wirkte auf den Boden geblieben: ehrlich und erzählte nicht zu viel. Hat uns gefallen! Der Dialog zwischen dem Museumsmitarbeiter und Sven Marquardt war allerdings etwas zu steif.

Generell wünsche ich mir immer mehr Fragen aus dem Publikum, die einfach so aus dem Mund sprudeln, Hinweise oder Anmerkungen. Eine offene Runde, die sich locker und interessiert miteinander austauscht, wäre wünschenswert. Aber das liegt wahrscheinlich an beiden Seiten. So viele Fragen stelle ich selbst meistens allerdings auch nicht. Wenn sich jeder also an die eigene Nase fassen würde, wäre das doch schon mal ein ein Anfang, oder?

Nach dem Gespräch zwang uns der Durst und Hunger erst einmal zum Pausieren. Relaxen bei viel zu gutem Wetter mit kühlem Eiskaffee und lecker Kuchen. Im Museum war es nämlich echt viel zu heiß. Dabei geht man doch im Sommer extra ins Museum, weil dort eine Klimaanlage ist? Hm, egal. Auf in die nächste Runde. Und die war richtig, richtig gut! 100% totale Begeisterung!!

Erstmal haben wir den Eingangsbereich der Ausstellung genauestens unter die Lupe genommen. Es gab so viel zu entdecken. Von abgegriffenen, alten Magazinen über Schnittmuster und Zeichnungen bis hin zu Modeschmuck und Filmen wurde hier alles präsentiert, was die Sibylle ausgemacht hat. Von der Entstehung bis zur allgemeinen Bedeutung der Zeitschrift für ihre Zeit.

An einem Tisch haben wir uns mit anderen Besucherinnen ausgetauscht und über die Ausstellung geredet. Manche von ihnen hatten die Sibylle damals sogar abonniert. So ein Abonnement war ein purer Glücksgriff und schwer zu bekommen, denn die Zeitschrift war schnell vergriffen: Sie wurde nur sechs mal im Jahr mit 200.000 Exemplaren herausgegeben. Heutzutage, im digitalen Zeitalter, eigentlich genau richtig, aber damals eben einfach zu wenig.

Einige Frauen (irgendwie waren nicht so viele Männer in der Ausstellung) erzählten uns, was sie an der Sibylle so toll fanden, welche Rezepte sie gekocht haben oder welches Schnittmuster einfach zu schwer für sie war. Natürlich waren viele Fotografien, Schnittmuster oder Tipps in der Sibylle eine pure Utopie und wohl eher als eine Möglichkeit der Flucht aus einem tristen Alltag zu verstehen. Aber, sind wir mal ehrlich: Ist es heutzutage anders mit den Modezeitschriften und Magazinen?

Auch der Tisch und die Stühle bleiben dem Motto treu.

Nach dem netten Plausch ging es dann aber wirklich in die Ausstellung. Die dort gezeigten Fotografien haben uns sehr fasziniert. Denn sie wirken international, kosmopolitisch und einfach anders als das, was wir aus der DDR kannten oder zu kennen glaubten.

Fotografen*innen wie Sven Marquardt, Ute & Werner Mahler, Arno Fischer und Sibylle Bergemann erlangten durch ihre Publikationen in dem Magazin eine internationale Aufmerksamkeit. Was in der BRD die Brigitte war, die heutzutage immer noch eine der bekanntesten Frauenzeitschriften Deutschlands ist, war in der DDR eben die Sibylle. So gab man ihr auch, mit humoristischen Blick auf den Klassenfeind, den zutreffenden Spitznamen „Ost-Vogue“.

Fast Vierzig Jahre lang war sie eine Inspirationsquelle für viele Frauen. Und bildete nicht nur mit Mode, sondern auch Artikeln über Architektur, Kunst, Design und Gesundheit ein breites gesellschaftliches Spektrum ab. Damit stellte die Zeitschrift einen festen Bestandteil in der ostdeutschen Alltagskultur dar.

Die Fotografie nahm dabei eine zentrale Rolle ein:

Auf uns wirken die Fotografien immer noch zeitlos und modern. Die Modelle strahlen eine Weiblichkeit aus, die auf Understatement setzt. Dadurch wird viel mehr erreicht als mit einer reinen „Sex-Sells“ Strategie. Dieser klassisch-moderne Stil der Bildästhetik war für uns auch nicht unbedingt signifikant für die Mode im Osten. Oder anders gesagt: Wir wurden von dieser emanzipierten Eleganz und Progressivität der dortigen Kleidung so in den Bann gezogen, dass wir die meisten Kleidungsstücke am liebsten gleich selber im Kleiderschrank haben wollen und schmieden jetzt schon mal Pläne, wie wir sie nachschneidern können. Natürlich ganz authentisch nach den zahlreichen Schnittmustern aus der Sibylle, versteht sich.

typische Modezeichnungen und Schnittmuster der DDR

Es fällt auf, wie durchdacht der Bildaufbau ist und er erinnert meist an klassische Bildkompositionen, wie man sie aus der Kunstgeschichte kennt. Es steckt viel Arbeit hinter den Fotos, was wir erkennen können. Freut uns natürlich noch mehr und erhöht den Spaß ungemein beim Anschauen.

Ute Mahler: Porträt, Miami USA, 1991, Cibachrome Print

Das Spiel mit Texturen, wie hier mit einem Seidenschal (siehe Bild oben), hebt die Sinnlichkeit des Models und das Bildhafte der Fotografie noch einmal an. Die Fotografen*innen in der Ausstellung bedienen sich oft diesem Spiel. Die Farben und ihre Kombination sind dabei auch ein tragender Faktor.

Abschließend bleibt mir vorerst nur zu sagen, dass wir beide immer noch richtig begeistert von der Ausstellung und Sven Marquardt sind. Am liebsten wollen wir gleich wieder nach Pillnitz radeln, um uns einfach von den tollen Fotos berieseln zu lassen!

Daher auch für Euch noch mal die Fakten der Ausstellung:

WO? Schloss Pillnitz – Wasserpalais
WIE LANGE? 28.04.2018—04.11.2018
WANN? Täglich 10—18 Uhr, Montag geschlossen, 01.10.2018, 10—18 Uhr (Sonderöffnung) & 29.10.2018, 10—18 Uhr  (Sonderöffnung)
KOSTEN? Regulär: 8 €, ermäßigt: 6 €

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